Ein Lebensbild
Franziskus wird 1180/1181 als Sohn der Eheleute Pietro Bernardone, eines reichen Tuchhändlers in Assisi, und seiner Frau Donna Pica, die aus der Provence in Südfrankreich stammt, in Assisi geboren. Als er das Licht der Welt erblickt, ist sein Vater geschäftlich unterwegs. Seine Mutter lässt ihn auf den Namen Johannes taufen. Sein Vater – aus Frankreich zurückgekehrt – nennt ihn allerdings Francesco, kleiner Franzose.
Dante Alighieri, einer der großen Dichter des frühen Italienischen, schreibt in seiner Komödie (Die Göttliche Komödie) über Franziskus:
„Der Welt geht die Sonne auf …“
Franziskus möchte Ritter werden und soll nach dem Willen des Vaters eines Tages sein Tuchgeschäft übernehmen. Er ist der „König“ der Jugend von Assisi und durchzecht viele Nächte mit ihr in den Straßen seiner Heimatstadt. Durch den häuslichen Reichtum und seine unbekümmerte, fröhliche Art stehen ihm die Tore der Stadt und der Menschen offen.
1202 zieht er in den Krieg gegen Perugia. Assisi verliert, Franziskus wird gefangen genommen und verbringt gut ein Jahr im Gefängnis. Er wird wahrscheinlich von seinem Vater freigekauft und kehrt als ein anderer Mensch nach Assisi zurück.
Wahrscheinlich in Folge seines Gefängnisaufenthaltes und der Strapazen des Krieges erkrankt er schwer. Die intensive Pflege seiner Mutter bringt ihn wieder auf die Beine. Allein durchstreift er von nun an die Gegend um Assisi. Mehr zufällig stößt er dabei eines Tages auf eine halb verfallene Kapelle außerhalb der Tore Assisis, San Damiano. Als er sie betritt, wirkt sie dunkel, verdreckt, wenig einladend zum Gebet. Dennoch kniet er nieder. Stille umgibt ihn. Vom Kreuz in der Apsis hört er plötzlich eine Stimme: „Francesco, geh und stelle mein Haus, das ganz verfallen ist, wieder her.“
Franziskus lässt nicht lange auf sich warten. Er nimmt den Besen und fegt. Er packt sich eine Kelle und Mörtel und setzt die herausgebrochenen Steine wieder ein. Er steigt aufs Dach und tauscht gebrochene Ziegel aus. Langsam macht er - gemeinsam mit einigen alten Freunden wie Rufino und Bernardo – aus der Kapelle wieder einen würdigen Gebetsraum. Die Leute in der Stadt lachen über ihn, andere Freunde verstehen ihn nicht mehr; denn er will sich nicht mehr mit ihnen treffen, will nicht mehr ihr „König“ sein und sich mit ihnen die Nächte um die Ohren hauen. Sein Vater ist enttäuscht und wütend, denn Franziskus zeigt überhaupt kein Interesse mehr für das Geschäft.
Eines Tages reitet Franziskus hoch zu Ross aus der Stadt. Draußen vor den Toren begegnet er einem Aussätzigen. Für gewöhnlich wird um sie einen großer Bogen gemacht. Man will sich eben nicht anstecken. Doch irgendwie sieht er sich zu diesem elenden Menschen hingezogen. Er steigt vom Pferd geht auf die jämmerliche Gestalt zu, nimmt ihre Hand und küsst sie. Fortan sorgt er sich um die Aussätzigen draußen vor den Toren, er wäscht ihnen die Wunden und verbindet sie neu. Er reicht ihnen das tägliche Brot, das er mit dem Geld seines Vaters kauft.
Mit diesem hingegen kommt es schon bald auf dem Hauptplatz der Stadt Assisi zum endgültigen Bruch. Sein Vater hat ihn beim Bischof angezeigt und es kommt zum Gerichtsprozess. Der Vater verlangt von seinem Sohn die Rückgabe des Geldes, das dieser ihm - angeblich - gestohlen hat.
Franziskus gibt alles, den Rest des Geldes und alles, was er am Leibe trägt, Hose und Hemd. Nackt steht er vor den Leuten, die teils lachen, teils beschämt zu Boden schauen. „Von jetzt an“, sagt er, „habe ich nur noch einen Vater, der im Himmel.“
Der Bruch mit seiner Vergangenheit ist gewaltig. Kein Zuhause, kein Geld, keine schönen Kleider. Nur ein bäuerliches Gewand, aus Leinsack, rau und kratzig, ein Strick, der alles zusammen hält, barfuß. Mit den Wenigen an seiner Seite, die auch ihrem Leben eine Kehrtwende gegeben haben, fragt sich Franziskus, was zu tun ist. Sie treffen sich in San Damiano, schlagen zufällig die Bibel auf, die dort liegt, und lesen: „Wenn du vollkommen sein willst …“ (Mt 19, 21) Später treffen sie sich in Portiuncula, eine ebensolche kleine Kapelle in der umbrischen Ebene, nicht weit von Assisi, und lesen dort: „Geht und verkündet … Heilt Kranke … Nehmt nichts mit auf den Weg …“ (Mt 10, 7 ff.) Es ist die Wanderpredigt, die die Brüder zu den Menschen treibt, das einfache, schlichte, arme Leben. Es ist Jesus, der sie ruft. Und sie folgen, radikal, authentisch. Mit diesem Leben ist es ihnen wirklich ernst. Anfangs haben sie auch des Nachts nichts außer dem Himmel über sich. Nichts wollen sie besitzen, keine Häuser, erst recht kein Geld. Sie leben von dem, was die Leute ihnen geben, von der Hand in den Mund und teilen noch mit denen, die genauso arm sind, wie sie selbst.
Über Jesus, dem sie folgen, finden sie den Weg zum Vater. Franziskus ist fasziniert von dem Gedanken, dass sich der große Gott in seinem Sohn so unendlich klein, nahbar, ja anfassbar gemacht hat, bis hinein in die Gestalt des eucharistischen Brotes. Die Demut Gottes ist Franziskus heilig. Alles in dieser Welt ist ihm und seinen Brüdern Ausfluss der Liebe, der Demut Gottes. Und er besingt dies am Ende seines Lebens im Sonnengesang. „Lobt und preist meinen Herrn und sagt ihm Dank und dient ihm mit großer Demut.“ So endet dieser Gesang, in dem er die Sonne, den Mond, die Sterne, das Feuer, das Wasser, die Mutter Erde und selbst den Tod besingt.
Begegnung mit Papst Innozenz III, der ihm 1209 die erste Regel, bestehend aus Zitaten der Heiligen Schrift, bestätigt. Franziskus möchte mit einigen Brüdern in die Mission nach Marokko. Es misslingt ihm. 1219 kommt es zur Begegnung mit dem Sultan Al-Kamil in Damiette, einer ägyptischen Stadt im Nildelta. Hier wird der Grund zu einem islamisch-franziskanischen, eben interreligiösen Dialog gelegt, der bis heute besteht. In Greccio feiert Franziskus erstmals mit den Leuten aus der Gegend Weihnachten, wie wir es heute noch kennen. 1223 erhält er aus den Händen von Papst Honorius III seine endgültige Regel. 1224 wird er auf dem Berg Alverna zu einem „alter Christus“. In einem wunderbaren Geschenk werden ihm hier die Wundmale Christi in seinen eigenen Leib eingeprägt. Am Vorabend zum 4. Oktober 1226 legt er seinen völlig ausgemergelten, kranken Leib – und er ist fast blind – in frohem Dank zurück in die Hände seines Schöpfers.
Was er in seinem Leben wollte: Das Evangelium leben, froh, demütig, gegen jedermann barmherzig, liebevoll. Mehr nicht, und doch ist es alles.
(Text von Pater Peter Schorr OfM)